- Startseite 
 - 
 -- Personalities 
 --- Warum? 
 --- Steckbrief 
 --- Promotion 
 - 
 -- Lehre 
 --- Filmanalyse 
 --- Vis. Literatur 
 --- Postmoderne II 
 - 
 -- Bilder 
 --- Album 
 --- Toskana 
 --- USA 
 - 
 -- Humor 
 --- Werbung 
 - 
 -- Links 
 - 
 -- Layout-Wahl 
 - 
 -- Impressum 
 
Warum eine eigene Homepage?

Vor gar nicht allzu langer Zeit wachte ich morgens auf und hatte das ungute Gefühl: "Irgendetwas Entscheidendes fehlt Dir im Leben!" Es ist nicht so, dass ich mich aus irgendeinem unerfindlichen Grunde heraus für besonders anspruchsvoll halte. Die erste Million muss erst noch erarbeitet werden, was mir aber eigentlich auch nichts ausmacht. Was also war es, was mir derart zu fehlen schien? Erst nach langem Überlegen kam ich darauf: die eigene Homepage. Auf meiner Visitenkarte prangen gleich zwei von meinen zwei Dutzend e-Mail-Adressen. Aber die eigene Homepage-Adresse fehlte noch irgendwie ...

Es ist doch heute einfach so: Ohne eigene Homepage ist man doch niemand mehr. Man verliert den Anschluss an die Realität, auch wenn diese nur noch virtuell ist. Wenn Maggie seine Würfel schon im Internet feilbietet und im Zeitalter des Cycosmos jedem durchschnittlich beliebten Avatar mehrere tausend Internetseiten gewidmet werden, dann muss doch irgend etwas dran sein am being virtual!

Andererseits bringt die zunehmende Technisierung auch einige psychologische Nachteile mit sich. Vor tausenden von Jahren gab es noch keine Post, so dass man kaum einen Menschen kannte, der weiter als einen Steinwurf entfernt wohnte - deswegen nennt man diese Zeit auch die Steinzeit. Und da man Menschen, die weiter entfernt wohnten, nun mal nicht kannte, gab es auch keinen Grund, warum man unbedingt gewollt hätte, dass sie einem schreiben. Das änderte sich dann durch die Post [Sie merken schon, ich springe etwas!]. Nun gab es eine Möglichkeit, über weite Distanzen zu kommunizieren. Aber - man steckte ja noch in den Kinderschuhen - es machte einem nichts aus, wenn man mehrere Wochen keine Post bekam; es dauerte halt alles seine Zeit. Die erste größere Kränkung kam mit dem Telephon. Endlich war man unmittelbar (anglisiert: live and on-demand) zu erreichen; und nun stellte man fest, dass sich - nach entsprechender Verbreitung des Telephons - immer noch wochenlang niemand meldete. Aber man hatte ja noch einen Trost: Wahrscheinlich riefen alle Leute ja gerade dann an, wenn man gerade mal beim Bäcker oder auf der Arbeit war. Und dann konnte man ja schließlich nur noch folgern, dass die Freunde wahrscheinlich dachten, man wäre für längere Zeit verreist und sich deshalb nicht mehr meldeten. Tja, auch das änderte sich schließlich. Der Anrufbeantworter wurde erfunden, und mit seiner Entwicklung trug man diese einzige Form der Selbstberuhigung zu Grabe. Jetzt wurde man mit der harten Realität konfrontiert: Niemand wollte einen erreichen! Und wenn nicht niemand, so doch nur sehr wenige Menschen. Zugleich wurde diese Entwicklung jedoch abgeschwächt: Immer mehr Menschen konnten sich Telephone leisten, und entsprechend stieg auch die Wahrscheinlichkeit, dass doch noch jemand anrief - und wenn er sich nur verwählt hatte. Hier gab es dann wieder einen Vorteil beim Anrufbeantworter: Man konnte die Häufigkeit von Anrufen nicht nachvollziehen, da beim Abrufen einfach alle hintereinander abgespielt wurden. Es machte also keinen Unterschied, ob drei Telephonate in einer Stunde eintrafen oder nur zwei in fünf Stunden. Man schien irgendwie gefragt. Doch spätestens seit Erfindung des Handys (Abkürzung für das hessische "Han' die kei Schnürle?") hat man auch diese Stütze verloren. Nun erfährt man durch das gnadenlosen Schweigen des Handys, dass seit drei Stunden keiner mehr versucht hat, einen zu erreichen. Das sind niederschmetternde Erlebnisse, durch die wir alle durch müssen. Es scheint mir gar angebracht, eine eigene Bezeichnung für den verzweifelten Gesichtsausdruck zu entwickeln, der sich auf dem Antlitz eines Menschen ausbreitet, wenn er/sie in der Straßenbahn die Mailbox seines/ihres Handys abruft - und nur ein "Es liegen keine neuen Nachrichten vor!" ins Ohr gesäuselt bekommt. Vorübergehend schlage ich dafür die anglizistische Wort-Neuschöpfung Virtual Seclusion vor - ich bin aber für anders lautende Anregungen jederzeit offen.

Und all dies setzt sich bei der eigenen Homepage fort. Man kann per Counter zählen, wie oft jemand die entsprechende Seite aufgerufen hat. Und die Log-Analyse macht ihr Übriges. Aber was, wenn der Zähler bei jedem eigenen Besuch nur um eins höher ist als beim letzten Mal und alle Zugriffe in der Log-Auswertung auf den eigenen Rechner verweisen? Was, wenn man der einzige Besucher seiner eigenen Homepage ist?

Wir sind immer besser erreichbar, überall auf der Welt. Stellt sich nur noch die Frage, ob es überhaupt jemanden gibt, der uns erreichen möchte.

Und hier kommt nun eine Marktlücke ins Spiel: Rent-a-Call oder - für's Internet - Rent-a-Mail, Rent-a-Surf und Rent-a-Download. Das kommerzielle Anbieten von Anrufen etc. könnte die Job-Maschine der Zukunft sein. Schließlich kann so ein(e) Handy-BesitzerIn zu einer vorbestimmten passenden Gelegenheit einen Anruf mit wichtigen Vertragsabschlüssen ("Überweisen Sie die Millionen auf mein Schweizer Nummernkonto") in Gegenwart der/des Angebeteten führen, was sich wesentlich besser macht als die eigenen Anrufe ("Ja, Schatz. Ich bin in fünf Minuten daheim!"), die offensichtlicher das Motiv der Geltungssucht deutlich werden lassen. Und die eigene Homepage wird auf diese Weise nicht zwei Mal in fünf Jahren, sondern alle paar Minuten frequentiert. Dann kann man stolz darauf sein, dass andere Leute Interesse an einem haben. Und ganz nebenbei wird für unabsehbare Zeit jede Form von Arbeitslosigkeit mit einem Schlag abgebaut.

Stellt sich zum Schluss nur die Frage: Was ist der Unterschied zwischen dem Menschen vor tausenden von Jahren, der mangels technischer Möglichkeiten kaum "Tele"-Kommunikation hatte, und dem Menschen heute, der zwar jederzeit erreichbar ist, den jedoch niemand erreichen will. Die Antwort ist ganz einfach: Es handelt sich um die zivilisiertere Form der Non-Kommunikation.

Druckversion Logo