Germanistik V

Filmanalyse
Eric Horn
 
Vergleich der Bildgrößen
bei Widescreen-Konvertierungen

Als Ende der 40er-/Anfang der 50er-Jahre in den USA die Besucherzahlen in den Kinos auf Grund des sich ausbreitenden Fernsehprogramms immer stärker zurückgingen, drängten viele Filmfirmen auf die Entwicklung einer Filmtechnik, die Kino wieder zum unvergleichlichen Erlebnissen machen sollte. Zwar hatte zu dieser Zeit das Kino immer noch den Vorteil, Filme in Farbe anzubieten, doch die technische Spezifikation des NTSC-Übertragungsstandards für Fernsehbilder war schon darauf ausgerichtet, auch Farbe zu übertragen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sich auch das Fernsehn vom alten Schwarz-Weiß emanzipieren würde. Nicht anzupassen war das Übertragungssignal von Fernsehbildern jedoch hinsichtlich des Übertragungsformates. Die Festlegung auf das Format 4:3 (1,33:1) konnte nicht umgangen werden. 

Entsprechend drängten die technischen Entwicklungen der Filmfirmen darauf, durch größere Formate dem Fernsehen wieder den Rang abzulaufen. Zum einen sollte das Bildformat eher dem menschlichen Blickfeld angepasst werden, zum anderen sollte die neue Technik mehr Möglichkeiten im Bereich der Panorama-Aufnahme bieten. 

Anfang der 50er-Jahre entwickelte auf diesem Hintergrund die Produktionsfirma Twentieth Century Fox das vollkommen neue CinemaScope-Verfahren (kurz: Scope), das eine Filmauflösung im Format 2,35:1 anbot. Als erster Film in diesem Verfahren entstand 1953 der Film "Das Gewand" (Regie: Henry Koster), ein Kolossalfilm, der ganz auf die imposanten Massenszenen, Spezialeffekte und damit auf die optische Publikumswirksamkeit ausgerichtet ist. Andere Filme wie der legendäre Monroe-Streifen "Fluss ohne Wiederkehr" (1954, Regie: Otto Preminger) nutzten die neue Bildbreite insbesondere für imposante Naturaufnahmen, hier vor allem während der atemberaubenden Floßfahrt. 
 


Abb. 1: Bild eines Segelschiffes im CinemaScope-Format (2,35:1)

Das Problem des neuen Verfahrens lag jedoch auf der Hand: Um weiterhin eine Kompatibilität zu den bestehenden Projektionsgeräten zu erzielen, musste das CinemaScope-Verfahren mit einer anamorphen Linse arbeiten, die das 2,35:1-Bild auf das herkömmliche Bildmaterial im Academy-Format (so genanntes "Flat"-Format: 1:33:1) bannte. Dazu wurde einfach bei der Aufnahme das Bild - bei konstanter Höhe - hinsichtlich seiner Breite auf das Flat-Format verzerrt (etwa im Verhältnis 1:2). Mit einer entsprechenden Gegenlinse konnte nun jeder Projektor das 1,33:1-Bild wieder auf 2,35:1-Format bringen. 
 

 
Abb. 2: Projektionsbild und verzerrter Filmstreifen (anamorphotische Bild)

Was im Kino funktioniert, funktioniert allerdings im Bereich der Fernsehübertragung nicht. Die Filmfirmen sahen dadurch einen lukrativen Einnahmeposten gefährdet, nämlich die nachträgliche Lizenzvergabe für Ausstrahlungsrechte. Entsprechend entwickelte Twentieth Century Fox mit dem CinemaScope-Verfahren zusammen auch ein Verfahren, mit dem die Ausstrahlung von CinemaScope-Filmen im Fernsehen ermöglicht werden sollte. Dieses Verfahren, in Fachkreisen als "Panning & Scanning" (oder kurz: Pan&Scan) benannt, bestand aus einer analogen Abtastung des Films. Ein spezieller Regisseur entschied auf der Basis des breitwandigen Films, welcher Ausschnitt in Größe 4:3 vom Streifen für die Übertragung genutzt werden sollte. Dazu wurde lediglich eine 4:3-große Maske über den Film gelegt, die beliebig hin und her geschoben werden konnte und den im 4:3-Format sichtbaren Ausschnitt definierte. Darüber hinaus bestand natürlich zusätzlich die Möglichkeit, noch kleinere Bereiche des Bildes als Ausschnitt zu wählen, sodass zum Beispiel nachträglich Detailaufnahmen aus Halbtotalen entstehen konnten usw. 
 


Abb. 3: Pan&Scan-Verfahren am Beispiel des Bildes "Abb. 1". Die abgedunkelten Bereiche
geben die Elemente des Bildes wieder, die beim Abtasten wegfallen.

Das Problem dieses Verfahrens ist offensichtlich: Ganze Teile der Bildkomposition wurden gelöscht. In der Anfangszeit des CinemaScope-Verfahrens führte das in erster Linie dazu, dass die produzierte Bildfülle (etwa bei Massenszenen oder Panorama-Aufnahmen) in der abgetasteten Version nicht mehr zur Geltung kam. Doch mit der Einführung der neuen Raummöglichkeiten begannen Regisseure auch damit, diese Möglichkeiten im Sinne der Bildkreativität zu nutzen. Sie nutzten das neue Format zur Enträumlichung und Entzerrung von Szenen, verlagerten Details eines Bildes an dessen Rand. Fiel dieser Rand nun aber weg, verschwanden dadurch zugleich auch bedeutungstragende Nuancen des Bildes. Dies wurde zu umgehen versucht, indem die Abtast-Regisseure entweder den 4:3-Ausschnitt bei feststehenden 2,35:1-Bildern über das Gesamtbild wandern ließen und damit einen zusätzlichen Schwenk einführten, oder indem sie ein einheitliches Bild durch Schnitt und Gegenschnitt zerlegten. In jedem Fall wurde damit die gesamte Bildkomposition des eigentlichen Regisseurs zerstört. 

Ein weiteres Verfahren zur Umsetzung enstand erst wesentlich später, das so genannte Letterbox-Verfahren. In diesem Verfahren wurde das Bild in seiner gesamten Breite übernommen und die formatbedingten Höhenunterschiede durch schwarze Balken ausgeglichen. Da im Bereich der technischen Realisierung die Höhe eines Bildes stets den Fixpunkt der Betrachtung bildete, führte das unweigerlich dazu, dass das Gesamtbild wesentlich kleiner wurde. In der radikalen Letterbox-Konvertierung (vgl. Abb. 3) führte das Verfahren beispielsweise dazu, dass fast 50 Prozent des Bildschirms schwarz blieb. 
 


Abb. 4: Letterbox-Verfahren mit Beibehaltung des
Gesamtbildes am Beispiel von Bild "Abb. 1"

Als Alternative zum radikalen Letterbox-Verfahren entstand zudem noch ein gemäßigtes Verfahren. Dieses Verfahren fügte dem Bild kleinere schwarze Balken am oberen und unteren Bildrand hinzu, schnitt dann aber einen Teil des Bildes auf das Format 4:3 zurecht: 
 


Abb. 5: Gemäßigtes Letterbox-Verfahren am Beispiel von Bild "Abb. 1"

Bei diesem Verfahren blieb der Bildausschnitt zumeist konstant, was mitunter zu "interessanten" Szenen führte - etwa die "sprechenden Nasen" in der Letterbox-Version von "Tootsie" (1982, Regie: Sydney Pollack), eine Szene, in der lediglich die Nasenspitzen von zwei Personen zu sehen sind, die miteinander sprechen. Es kam aber auch zu Beschneidungen, die wiederum die Interpretation einer Filmszene unmöglich macht. So zeigt etwa eine Szene in "Uzala, der Kirgise" (1973-1975, Regie: Akira Kurosawa) das Gespräch zwischen Uzala und Arsenjew. Die beiden Personen stehen zentriert, sichtbar etwa ab dem Oberkörper. In der linken oberen Ecke des Bildes ist ein bläulicher Vollmond sichtbar, am rechten unteren Rand geht gerade die rötlich gefärbte Sonne unter. In der etwa einminütigen Szene weist Uzala immer wieder abwechselnd auf Mond und Sonne, ohne diese zu benennen, und macht an diesem Gegensatz seine Lebenseinstellung deutlich. Sowohl in der Pan&Scan-Version als auch in der gemäßigten Letterbox-Version sind aber weder Sonne noch Mond sichtbar, Uzala scheint lediglich einen Zwiespalt durch Himmelsrichtungen auszudrücken. 

Anfang der 90er-Jahre schaffte es der Verband norwegischer Filmregisseure, die Ausstrahlung einer im Pan&Scan-Verfahren bearbeiteten Version von "Die drei Tage des Condors" (1974, Regie: Sydney Pollack) zu verhindern. In einem Prozess wies der Verband nach, dass sowohl durch das Pan&Scan- als auch durch das gemäßigte Letterbox-Verfahren der Film grundlegend verändert wird, was nach europäischem Recht als Copyrightverletzung gewertet wurde. Zur Beweisführung hatte sich der Verband die Arbeit gemacht, den gesamten Film in der CinemaScope-Fassung so zu bearbeiten, dass man bei der Wiedergabe vor Gericht alle Bildelemente, die wegfielen, durch Abdunkelung nachvollziehen konnte.